Ein einzelner Auszug aus einem 1974 erschienenen Lehrbuch sorgte für die vorübergehende Abschaltung der fast 1,5 Millionen Blogs der australischen Bildungsplattform Edublogs.com. Das 20 Fragen aus einem psychologischen Evaluationsbogen enthaltende Zitat, das ein Lehrer ungekennzeichnet und unerlaubt in seinen Blog übernommen hatte, stellte für den Bildungsverlag Pearson einen ausreichenden Grund für eine Beschwerde über ihr verletztes Urheberrecht an den zuständigen Hoster ServerBeach, der als Reaktion am 10.10. nicht nur den betroffenen Blog, sondern den kompletten Content von Edublogs vorübergehend vom Netz nahm. Bei deutschen Hostern wie Spacequadrat, Strato oder 1blu wäre ein solches Vorgehen undenkbar.

Ungeplanter Kahlschlag

Dieser etwa eine Stunde anhaltende Rundumschlag war laut Sprechern von ServerBeach nicht in dieser Form beabsichtigt, Ursache war offenbar missverständliche Kommunikation. So wird von einer vorhergehenden Meldung an Edublogs gesprochen, die bereits im September durch den Rechteinhaber erfolgte, aber für den fraglichen Inhalt folgenlos blieb, berichtet Nachrichtendienst Ars Technica. Edublogs hält dagegen, dass auf die DMCA-Meldung eine zeitnahe Reaktion und Abschaltung des betroffenen Blogs erfolgt sei. Lediglich im Server-Cache der Seite wäre der geschützte Inhalt noch gespeichert gewesen – für ServerBeach Grund genug für drastischere Maßnahmen.

Welchen Spielraum erlaubt der DMCA?

Der 1998 erlassene Digital Millenium Copyright Act (DMCA), durch den die Interventionsmöglichkeiten von Rechteinhabern bei vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen massiv erweitert wurden, deckt ein solch radikales Vorgehen nicht ab. Das bereits in der Vergangenheit für Streitigkeiten sorgende Gesetz soll die schnelle Beseitigung von Copyright-Verstößen ermöglichen, nicht aber zur Sperrung unbeteiligter Inhalte führen – vor allem nicht, da Edublogs nach eigenen Angaben ohnehin an einer Abschaltung des strittigen Blogs arbeitete.

Edublogs enttäuscht über Behandlung von Kunden

Edublogs zeigt sich überräuscht über die Vorgehensweise gegenüber einem jahrelang zufriedenen Kunden, der dem Hoster immerhin einen Jahresumsatz von über 75.000 USD beschert. Man habe sich bemüht, der Weisung von ServerBeach möglichst rasch zu entsprechen und den fraglichen Blog umgehend offline zu nehmen. Dass die Datei noch im Server-Cache der Bildungsplattform gespeichert war, sei kein Anlass für eine derart unterschiedslose Abholzaktion ohne zuvorige Kommunikation, gibt Edublogs-Gründer und Chef James Farmer in seinem Blog bekannt. Da wäre auch der Zeitunterschied zwischen den USA und Australien keine große Hilfe – als „mitternächtliches Feuerwerk“ auf den Servern der Firma beschreibt Farmer die kleinschrittige Abschaltung der einzelnen Inhalte, deren Gründe für die Edublog-Mitarbeiter viel zu lange im Dunkeln lagen.

Ungewisse Zukunftsaussichten

Das Lehrwerk, aus dem bereits 2007 der strittige Auszug „Becks Skala der Hoffnungslosigkeit“ entnommen ist, wird auch heute noch für den stattlichen Preis von 120 USD gehandelt. ServerBeach bemüht sich nun um eine Wiederherstellung der guten Geschäftsbeziehung zu seinem Großkunden Edublogs, verteidigt allerdings gleichzeitig die Abschaltungsmaßnahmen als „einzige Lösung“, der Beschwerde des Rechteinhabers pflichtgemäß nachzukommen.